Villiger

Als ihr Mann 1902 starb, übernahm Louise Villiger die Firma und stand als – zumindest ist mir nichts anderes bekannt – erste Frau an der Spitze eines europäischen Tabakunternehmens. Ihrem kreativen Feingefühl und Innovationsgeist verdanken wir die wenige Jahre später erscheinende Villiger Kiel. Neuartig an dieser Zigarre war, dass ihr Mundstück um ein kurzes Plastikröhrchen ergänzt wurde, das den dünnen Zigarren zum einen Stabilität bietet, zum anderen verhindert, dass der Zigarrenkopf aufweicht und sich kleine Brösel in den Mundraum lösen. Dieses Alleinstellungsmerkmal macht die Zigarre damals schon berühmt und führt dazu, dass sich sie bis heute produziert wird und sich immer noch großer Beliebtheit erfreut.

Das Unternehmen wächst auf dem fruchtbarer Boden dieser und ähnlicher Innovationen weiter und überlebt, wenn auch angeschlagen, zwei Weltkriege. Mittlerweile steht der 1930 geborene Heinrich Villiger mit seinen 95 Jahren an der Spitze des Unternehmens. Seiner Liebe für Premiumtabake und exklusive Longfillerzigarren verdankt die Firma Villiger weitere Expansion und eine bemerkenswert vielseitiges Angebot.
So gründete er 1989 als deutsch-kubanisches Joint Venture das Unternehmen 5th Avenue, das heute der exklusive Alleinimporteur kubanischer Zigarren für Deutschland und auch Österreich und Polen ist und uns mit Cohiba, Partagás, Romeo y Julieta und allem, was Kuba zu bieten hat, beliefert. Für die Importe aus dem nicht-kubanischen Rest der Welt ist die hauseigene Import Gmbh El Mundo del Tabaco zuständig, über die Villiger uns unter anderem mit den kräftigen Corridas oder den wunderbaren Zigarren von Nicaroma versorgt.

Aber auch an eigenen Kreationen, Blends und Serien mangelt es im Hause Villiger auf keinen Fall. Für die Produktion seiner Zigarren importiert das Unternehmen übrigens Tabake aus aller Herren Länder: die Dominikanische Republik, Indonesien, Nicaragua, Brasilien, Ecuador und Honduras – von überall her bezieht Heinrich Villiger ausgewählte Tabake, um den vielen Serien ein besonderes Charisma zu verleihen. Weil es nicht ganz einfach ist, bei dem ausufernden und spannenden Angebot von Villiger, den Durchblick zu behalten, wollen wir uns nun mal darum bemühen, zumindest für einen gewissen Überblick zu Sorgen 

Also, gehen wir´s an:

Villiger 1492:
Die Serie ist benannt nach eben dem geschichtsträchtigen Jahr, in dem Christoph Columbus aufbricht und wenige Monate später Amerika „entdeckt“. Seine Reise, die von manch einem Historiker als der Übergang vom Mittelalter in die Neuzeit gedeutet wird, finanziert das kastilische Königspaar Isabella und Ferdinand. Sie beauftragen Columbus auch nach Luxusgütern wie Gold, Edelsteinen und fremden Gewürzen zu suchen. Eines dieser „Gewürze“ war der Tabak. So schreibt Columbus am 6. November 1492 in seinem Logbuch über die Einheimischen und von „Kräutern, deren Rauch sie tranken“ und bringt anschließend sowohl die Pflanze als auch die Faszination mit nach Europa. Naja, zurück zu den Zigarren:
Die 1492er Serie wird in der dominikanischen Republik gerollt, wo auch alle Tabake der Einlage herkommen. Das Umblatt ist aus Indonesien und das Deckblatt ein Connecticut aus Ecuador. Alle Formate der Linie sind mild bis höchstens mittelkräftig und eignen sich so hervorragend für Einsteiger. Aromatisch spielt sich hier alles im mild-cremigen, leicht nussigen Spektrum ab, wobei ab und zu ein paar feine Holznoten aufkommen. Was die Formate betrifft, so ist hier von der Minutos bis zur Churchill für jeden etwas dabei und das Preis-Leistungsverhältnis ist tatsächlich herausragend gut. Fazit: auf jeden Fall ausprobieren.

Villiger 1888:
Schon wieder eine Jahreszahl im Namen. Dieses Mal geht es allerdings nicht um die Weltgeschichte, sondern um die Familiengeschichte. Denn wie den aufmerksamen Leserinnen und Lesern ganz sicher aufgellen ist, ist die Serie nach dem Jahr benannt, in dem Jean und Louise Villiger den Startschuss für das Unternehmen in ihrem Wohnzimmer in Luzern abfeuern, in dem sie eine kleine Manufaktur einrichten. Die 1888 ist als Hommage an die Gründung des Unternehmens gedacht und als Ausdruck dessen jahrzehntelanger Tabakexpertise mit besonderer Fürsorge entwickelt worden. Getreu der internationalen Ausrichtung des Unternehmens kommen die Tabake für die Einlage aus Dominikanischen Republik und Nicaragua, das Umblatt aus Mexiko und das Deckblatt aus Ecuador. Es sind mittelkräftige Zigarren, die durch aromatische Holznoten gekennzeichnet sind und einer besonderen Cremigkeit des Rauches, die Schärfespitzen abfedert und den Genuss zu einer butterweichen, vollmundigen Angelegenheit macht.

Villiger 1888 Nicaragua:
Nachdem die klassische 1888 in 2008 neu aufgelegt wurde, ergänzte Villiger die Serie noch um eine Nicaragua Variante. Obwohl man hier eine Puro vermuten würde, kommt doch nur der Großteil des verblendeten Tabaks tatsächlich aus Nicaragua. In der Einlage finden wir einen Viso und einen Seco aus Jalapa, einen kräftigen Ligero aus Condega und, um etwas mehr Spannung reinzubringen, einen Pennsylvania aus den USA. Das Umblatt ist aus Nicaragua, das Deckblatt allerdings in Ecuador aufgewachsen. Daraus setzt sich ein mittelkräftige-aromatischer Rauch zusammen, der kaum Schärfe hat, dafür aber durch Noten von Honig, Holz und Schokolade schmeichelt.

Villiger San Doro:
Die San Doro gibt es in drei verschiedenen Ausführungen, als Claro, als Colorado und als Maduro. Die Claro zeigt sich mit einem hellem Connecticut Deckblatt aus Ecuador, einem Umblatt aus Nicaragua und einem Sun Grown aus Nicaragua in der Einlage. Die Zigarren haben eine zarte Würze, sind aber eher mild und geschmacklich hauptsächlich von feinen erdigen Noten geprägt. Die Colorados dagegen sind einen Hub kräftiger. Hier kommt der Sun Grown aus Nicaragua richtig zur Geltung und zeigt seine würzige Komplexität. Trotzdem bleiben auch diese Zigarren vom Rauch her angenehm weich. Die Maduro ist eine Puro aus brasilianischen Tabaken, die in der Einlage als komplexer Blend genutzt werden. Das Umblatt ist ein Marta Norte und das Deckblatt ein Mata Fina. Im Geschmack der Brasil Puros mischt sich leichte Süße mit prägnanter Würze zu einem wundervollen Aromakomplex.

Villiger Miami:
Nein, die Zigarren dieser Serie stammen nicht aus Miami. In Miami liegt lediglich der Hauptsitz von Villiger Cigars North America. Der Blend der Zigarren war ursprünglich „nur“ für die Angestellten der Zentrale von Villiger in der dominikanischen Republik gedacht, fand aber schnell auch über diese Kreise hinaus begeisterte Anhänger, weshalb kurzerhand die Produktion etwas angekurbelt wurde, um die Zigarren als Limited Edition auch dem Rest der Welt präsentieren zu können. Also wieder eine dieser Family Reserve Geschichten, wie man sie ja doch von Zigarrenherstellern immer mal wieder hört. Bei der Miami Limited Edition sind Einlage und Umblatt komplett aus der Dominikanischen Republik. Lediglich das Deckblatt ist ein Desflorado aus Ecuador. Beim Desflorado Verfahren werden die Blüten der Pflanzen frühzeitig gekappt, um möglichst viel Saft in die Blätter fließen zu lassen, die dadurch kräftige Aromen voll ausbilden können. Und das spiegelt sich auch im Rauch. Denn geschmacklich geht es hier in Richtung satte Erde, Ledernoten und auch eine leichte Pfefferschärfe spielt mit. Zum Ende kommt mehr Creme dazu und federt den Pfeffer gekonnt ab.

Villiger Edicion Limitada:
Natürlich gibt es von so einem renommierten Unternehmen wie Villiger Zahlreiche Limited Editions, die jährlich und zu besonderen Anlässen auf dem Markt gebracht werden. Weil diese Zigarren meist besondere Akzente setzen, lohnt es sich auf jeden Fall, im vorhandenen Angebot zu stöbern und nach neuen Lieblingen zu suchen. Aber Obacht, nur nicht zu lange warten, denn die limitierten Auflagen sind meist schnell vergriffen.

La Meridiana:
Die nicaraguanischen Puros sind Teil des Vertriebs der Firma El Mundo del Tabaco. Es sind mild bis mittelkräftige, aber leicht würzige Zigarren, die zu einem sehr gute Preis-Leistungsverhältnis angeboten werden.

Dominican Selection:
Ganz hervorragende handgemachte Medium-Filler zu einem Preis, den man sich bei so einer soliden Herstellungsqualität kaum vorstellen kann. Zusammengebaut aus einem Piloto aus der Dominikanischen Republik, der als Einlage dient, einem Umblatt aus Indonesien und einem Connecticut Seed als Deckblatt, sind es milde Zigarren mit feinen grasigen Aromen. Wegen des geringen Preises eignet sich die Dominican Selection auf super für den Everyday Smoke.

La Libertad:
Auch die Libertads werden von Villiger über El Mundo del Tabaco Vertrieben und erlebten 2021 einen Relaunch bei dem die Optik umfänglich verändert, der Blend allerdings nur geringfügig optimiert wurde. Diese kräftigen und ausdrucksstarken Zigarren setzen sich aus einer Einlage aus Nicaragua zusammen, einem Umblatt aus der Dom. Rep. und einem Criollo aus Nicaragua, der als Deckblatt dient. Geschmacklich geht es in eine gehaltvoll komplexe Richtung, bei der viele Tone und Untertöne sich geschickt überlagern.

Dominico Bundle:
Noch ein Preis-Leistungs-Schnapper: die Dominico Bundles sind hervorragende „Alltagszigarren“ von mildem, aber nicht unterkomplexem Charakter. Die Einlage stammt aus Nicaragua, das Umblatt aus Indonesion und das Deckblatt ist ein Connecticut-Shade aus Ecuador. Hier bilden holzige Noten die Grundstruktur, immer wieder umhaucht von etwas Toast, Leder und Erde. Gegen Ende gesellen sich noch frische grasige Töne und etwas Pfeffer dazu.

Casa de Nicaragua:
Die Casa de Nicaraguas sind quasi die Stiefschwestern der Dominico Bundles. Denn nachdem die dominikanische Variante der preisgünstigen Alltagszigarren den Markt schnell erobert und die Nachfragen erhöht hat, legte Villiger 2014 mit dieser nicaraguanischen Variante eine kräftigere Serie nach. Sie sind würzig, pfeffrig und komplex. Die Einlage stammt zur Gänze aus Nicaragua, das Umblatt ist aus Indonesien und das Deckblatt stammt aus Ecuador. Auch hier begründet das Bundle-Prinzip, also der Verzicht auf teure und aufwendige Holzkisten, den angenehmen Preis.